Nachdem der Markt für Fernbusse in Deutschland im Januar 2013 liberalisiert wurde, konnten sich die günstigen Busse innerhalb nur weniger Jahre als willkommene und häufig genutzte Reisealternative durchsetzen. Doch nicht in ganz Europa stoßen die Busse auf Akzeptanz – so etwa in der Schweiz. Dort herrscht nach wie vor das Kabotageverbot, welches vorsieht, dass nur nationale Unternehmen Personenverkehr erbringen dürfen. Auch der deutsche Marktführer FlixBus ist davon betroffen und darf Schweizer Destinationen daher aktuell nur auf grenzüberschreitenden Linien anfahren.
Um allen Schweizern künftig günstige Busfahrten im eigenen Land anbieten zu können, hat das Busunternehmen Domo Reisen Anfang des Jahres Konzessionen für nationale Städteverbindungen beantragt. Zwar wurden diese noch nicht endgültig genehmigt, doch gab das Bundesamt für Verkehr (BAV) nun erstmals grünes Licht für einen Fernbus-Testbetrieb. Demnach darf Domo Reisen im Juni auf drei Strecken Testfahrten veranstalten. Diese werden auf eigenes finanzielles Risiko gefahren und sind für Interessenten aktuell kostenlos auf der Seite des Busunternehmens buchbar. So werden an drei Tagen Mitte Juni erstmals Fahrten von St. Gallen nach Genf, von Chur nach Sitten und von Zürich über Basel nach Lugano angeboten. Die kurze Testphase soll es Domo Reisen erlauben, einen geeigneten Fahrplan mit realistischen Fahrtzeiten zu erstellen. Im Falle einer anschließenden Genehmigung des Regelbetriebs, sollen die Fernbusse des Anbieters ab dem 9. Dezember regelmäßig von Stadt zu Stadt fahren.
Sorgen um den bereits existierenden öffentlichen Personenverkehr in der Schweiz macht sich hingegen die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV). Demzufolge herrschen ungleiche Wettbewerbsbedingungen, da die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) auch wenig rentable Strecken bedienen würden, um entlegenere Regionen an das nationale Schienennetz anzuschließen. Diese würden über stark nachgefragte Verbindungen querfinanziert. Im Falle von privat betriebenen Fernbussen sei hingegen davon auszugehen, dass nur größere Städte Anschluss an das Netz finden würden und der Bahn so auf ihren Paradestrecken die Fahrgäste streitig gemacht werden. Außerdem befürchtet die Gewerkschaft, dass die Straßen durch die Busse zusätzlich verstopft werden und es folglich häufiger zu Staus auf den Autobahnen kommt. Patrick Angehrn, Leiter des Linienbusverkehrs von Domo Reisen, verweist allerdings auf Studien, wonach 30 bis 60 Prozent der Fahrgäste im Fernbus zuvor das eigene Auto genutzt hätten. Demzufolge würden die Straßen eher entlastet werden.
Grundsätzlich geht Angehrn nicht davon aus, dass die Busse eine direkte Konkurrenz für die SBB bedeuten könnten. Zu sehr würde sich das Zielpublikum voneinander unterscheiden, da die Busse zwar preislich sicher punkten können, Reisende jedoch mehr Zeit mitbringen müssten. Ein Blick nach Deutschland bestätigt die Annahme: Die Liberalisierung des Fernbus-Marktes führte hier dazu, dass die Deutsche Bahn aufgrund der neuen Konkurrenz ihr Angebot deutlich attraktiver und zeitgemäßer gestaltet hat. So durften sich Reisende nicht nur über mehr Spartickets freuen, sondern auch über das seit Langem angekündigte kostenlose WLAN in der zweiten Klasse des ICE. Diese Anpassungen hatten zur Folge, dass die Fahrgastzahlen im deutschen Fernverkehr allgemein nach oben gegangen sind, weil Reisende das eigene Auto häufiger stehen lassen. Außerdem würden nun auch solche Fahrgäste angesprochen, die aufgrund der teuren Bahntickets und des Mangels an Alternativen zuvor ganz auf Reisen verzichtet haben.
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