Lange Zeit ruhte sich die Deutsche Bahn auf ihrer Vorherrschaft im nationalen Fernverkehr aus und kam Kundenwünschen daher eher selten nach. Intransparente Preissysteme und fehlendes WLAN waren unter anderem die Folge. Nachdem der Konzern nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Konkurrenz durch die günstigen Fernbusse die Ticketpreise nach unten korrigiert hat und zunehmend mit Sparangeboten auftrumpft, soll nun auch sekundären Kundenbedürfnissen mehr entgegengekommen werden. Den Schlüssel dafür sieht die Deutsche Bahn in der Digitalisierung.
Der größte Konkurrent der Deutschen Bahn ist aktuell nicht etwa ein anderes Verkehrsunternehmen. Vielmehr sorgen innovative Start-ups und modernde Digitalplattformen dafür, dass Reisende traditionellen Verkehrsmitteln zunehmend den Rücken kehren. So verzeichnet die Plattform Uber in New York mittlerweile beispielsweise mehr Fahrgäste als das Taxigewerbe. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärte Bahn-Personenverkehrsvorstand Berthold Huber vor Kurzem kurz und bündig: „Unser Ziel: Den öffentlichen Verkehr so komfortabel zu machen wie den individuellen.“ Mit einem ersten Lösungsansatz experimentiert die Bahn aktuell in Hamburg, wo das Tochter-Unternehmen Ioki preiswerte Shuttle-Services von Tür zu Tür anbietet. Der Dienst kann ganz einfach über eine App gebucht werden: Fahrgäste werden daraufhin von einem von insgesamt zehn Elektro-Fahrzeugen im Stile Londoner Taxis direkt bei sich zuhause abgeholt. Die App erkennt dabei, wenn mehrere Fahrgäste ein ähnliches Ziel haben und fügt diese automatisch zu Fahrgemeinschaften zusammen.
Punkt-zu-Punkt-Verkehr erfordert meist das Ineinandergreifen mehrerer unterschiedlicher Reiseoptionen. Um Fahrgästen bei der Planung behilflich zu sein, arbeitet die Bahn außerdem an einem digitalen Alltagsbegleiter. Reisende können ihre favorisierte Route speichern und erhalten automatisch Push-Notifications, wenn es zu einer Störung kommen sollte. In einem solchen Fall werden alternative Reisemöglichkeiten vorgeschlagen. Um Reisende dabei möglichst komfortabel vorwärts zu bringen, investiert die Bahn auch zunehmend in Leihdienste, die unter der Dachmarke Deutsche Bahn Connect GmbH zusammengefasst sind. Kunden können so beispielsweise über Call a Bike Fahrräder mieten oder über Flinkster nach passenden Carsharing-Optionen suchen. Mit derartigen Dienstleistungen will die Bahn gewährleisten, dass der umkämpfte Bereich „intermodales Reisen“ nicht allein großen Digital-Playern wie Google überlassen wird.
Doch die Bahn arbeitet nicht nur an Software-, sondern auch an Hardware-Lösungen. So werden bereits seit 2015 Drohnen eingesetzt, die das Risiko von Verspätungen minimieren sollen. Die sogenannten Mulitcopter untersuchen unter anderem Bäume, die sich nahe an den Gleisen befinden. Experten können anhand der Kameraaufnahmen einschätzen, ob die Äste einem Sturm standhalten würden oder ob ein Gewitter eine Gleissperrung zur Folge hätte. Zwar mag die Innenausstattung von Zügen zunächst etwas antiquiert wirken, doch setzt die Bahn auch hier auf Digitalisierung. Gerade in alten Waggons kommen Mantelhaken, Kopflehne und Co. nicht länger aus einer Produktionshalle, sondern einfach und bequem aus dem 3D-Drucker.
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