Die Deutsche Bahn sieht sich aktuell in einer misslichen Lage: Die Kunden schwinden, doch die Kosten steigen. Während diese Situation in der Vergangenheit durch höhere Ticketpreise behoben wurde, sieht die Bahn sich aufgrund der Konkurrenz der günstigen Fernbusse dazu gezwungen, im zweiten Jahr in Folge auf Preisanpassungen zu verzichten. „Die Preise im Fernverkehr bleiben in der ersten und zweiten Klasse stabil,“ verkündet Bahn-Chef Rüdiger Grube.
Immer mehr Kunden stiegen in den vergangen zweieinhalb Jahren von der Bahn auf den Fernbus um, was zu Umsatzeinbußen im zweistelligen Millionenbereich führte. Um die Preisdifferenz zwischen den Fernbussen und der Bahn nicht zusätzlich zu vergrößern, sollen 90 Prozent der Bahntickets im kommenden Jahr zum selben Preis verkauft werden wie im laufenden Geschäftsjahr. Ob sich auch der Regionalverkehr dieser Preisstrategie anschließt, bleibt abzuwarten, denn die Ticketpreise für Regional- und Nahverkehrszüge werden nicht an zentraler Stelle beschlossen. Dabei verzeichnet auch der Regionalverkehr, der durch gesetzliche Richtlinien vor der Fernbus-Konkurrenz geschützt werden soll, einen signifikanten Kundenschwund. Auf einigen Strecken, die parallel zu Autobahnen verlaufen, ist der Fernbus nur geringfügig langsamer unterwegs als die Deutsche Bahn, weshalb gerade hier die Preisdifferenz eine entscheidende Rolle spielt. Ein Beispiel dafür stellt die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen München und Nürnberg dar: Diese wurde erst vor knapp zehn Jahren als eine der schnellsten Regionalstrecken eingeweiht, muss heute aber zunehmend Fahrgäste einbüßen. Laut Gesetz dürfen Fernbusse nur Strecken ab 50 Kilometern bedienen, um keine Konkurrenz zum staatlich subventionierten Regionalverkehr darzustellen. Laut Hansrüdiger Fritz, dem Vorsitzenden der Regionalleitung der DB Regio Bayern, sei dies jedoch schwer umzusetzen, da es ein Schlupfloch gibt: Die Kunden würden laut Fritz bewusst Fernbus-Tickets für längere Strecken kaufen und an einer früheren Haltestelle aussteigen. Dank der günstigen Preise entsteht dadurch kein Verlust für den Fahrgast.
Statt auf Preiserhöhungen zu setzen, will die Bahn den eigenen Service verbessern. Dies ist eine Strategie, die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat begrüßen. Diese fordern beispielsweise die Optimierung der Pünktlichkeitswerte, die sich zwar konstant verbessern würden, jedoch noch immer nicht zufriedenstellend seien. Im Rahmen der Serviceoffensive der Bahn wurde bereits kostenfreies WLAN in der ersten Klasse der ICEs eingeführt und die Reservierungspflicht für ICE-Sprinter-Züge entfällt künftig. Außerdem läuft aktuell eine Probephase für eine Mitfahrer-App, die es Kunden erlaubt, mit dem Smartphone Reisende auf derselben Strecke zu finden, mit denen man sich ein Ticket teilen kann. Auch bei den Fernbussen selbst will die Bahn künftig präsenter sein: Erst vor einem Monat kaufte der Staatskonzern die verbleibenden Anteile am Fernbus-Anbieter Berlin Linien Bus auf und agiert seitdem als alleiniger Eigentümer. Die jüngste Bahn-Tochter verkündete daraufhin, dass das bereits bestehende Liniennetz bis Jahresende vervierfacht werden soll. Den Anfang machen elf neue Strecken, die ab dem 15. Oktober 17 neue Städte miteinander verbinden. Darunter befinden sich auch einige Nachtlinien.
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