Barrierefreiheit im Fernbus

Eng, unbequem und auf keinen Fall behindertengerecht – Auch heute noch haben Fernbusse mit diesen Vorurteilen zu kämpfen. Dabei hat sich in den vergangenen Jahren viel geändert was die Barrierefreiheit angeht. Das hat viel mit einer angepassten Gesetzgebung zu tun. Aber auch mit einem Umdenken bei den Busanbietern. Hier erfährst du mehr zur Barrierefreiheit in Fernbussen.

reise im rollstuhl

Noch bevor die Liberalisierung des Fernbus-Markts in Deutschland im Jahr 2013 in Kraft trat, wurde die Frage nach der Barrierefreiheit im neuen günstigen Verkehrsmittel aufgegriffen. Um klare Linien zu definieren, erweiterte man das Personenbeförderungsgesetz und schuf damit rechtliche Rahmenbedingungen für die junge Branche. Ziel war es, den Fernbus allen interessierten Kunden zugänglich zu machen. Die Gesetzesnovellierung sah eine zweistufige Übergangsphase vor, um den Fernbus-Anbietern die Chance zu geben, sich zunächst auf dem Markt zu etablieren. Die erste Frist ist nun abgelaufen: Seit dem 1. Januar 2016 müssen offiziell alle Neufahrzeuge mit zwei Rollstuhlstellplätzen ausgestattet sein. Ab 2020 wird diese Regelung auf alle Fahrzeuge ausgeweitet.

Ein Fernbus für Alle

EU-Vorschrift und Personenbeförderungsgesetz

Der Status Quo: Hürden für behinderte Fahrgäste

Begleitpersonen, Blindenführhunde und Nachteilsausgleich durch Behindertenrabatt

Barrierefreiheit in anderen öffentlichen Verkehrsmitteln: Deutsche Bahn

Ein Blick über den Tellerrand: Barrierefreiheit international

EU-Vorschrift und Personenbeförderungsgesetz

Als erste grobe Richtlinie für Betreiber von öffentlichem Personenverkehr gilt die EU-Vorschrift 181/2011, die als Mindestanforderung zu verstehen ist. Die einzelnen Mitgliedsstaaten der EU sind dazu aufgefordert, darüber hinaus selbst für rechtliche Rahmenbedingungen zu sorgen. In Einklang mit dem Diskriminierungsverbot sieht die EU-Vorschrift vor, dass alle Kunden in gleicher Weise von den Dienstleistungen der Verkehrsbetreiber Gebrauch machen können. Zusätzliche Gebühren für den Transport eines behinderten Fahrgastes werden darin explizit ausgeschlossen. Die Vorschrift empfiehlt sowohl den Kommunen als auch den Transportunternehmen, bei der Gestaltung der Infrastruktur oder der Anschaffung von Neufahrzeugen auf Barrierefreiheit zu achten. Offiziell rechtskräftig ist die Verordnung auf grenzüberschreitenden Fernbus-Linien, die zum Großteil durch Mitgliedsstaaten der EU verlaufen.

Um – wie empfohlen – einen Schritt weiter zu gehen und eigene Richtlinien zu schaffen, erweiterte Deutschland im Jahr 2012 das Personenbeförderungsgesetz um einige Paragraphen. In zwei Phasen sollen Fernbusse so möglichst allen Kunden zugänglich gemacht werden. Die erste Frist lief am 1. Januar 2016 ab: Seitdem müssen alle Neufahrzeuge der Fernbus-Anbieter barrierefrei sein. Ab dem 1. Januar 2020 greift diese Vorschrift für alle Fernbusse auf Deutschlands Straßen. Zwar geht die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes über die EU-Vorschrift hinaus, doch sorgen die unklaren Definitionen für Kritik. Das Gesetz verlangt zwar zwei Rollstuhlstellplätze pro Fahrzeug. Die Beschaffenheit der Sanitäranlagen oder der Zugang zum Fahrgastraum wird aber nicht deutlich beschrieben. Häufig sind die Toiletten nicht ebenerdig und daher nicht problemlos zugänglich. In solchen Fällen bieten Anbieter meist an, auf Wunsch an geeigneten Raststätten zu halten.

Der Status Quo: Hürden für behinderte Fahrgäste

Seit 2020 ist jedes Busunternehmen per Gesetz dazu verpflichtet, mindestens zwei Pätze für Rollstuhlfahrer im Fahrzeug zu haben. Bei Anbietern mit neuen Fahrzeugen in der Flotte ist das in der Regel kein Problem – denn jeder ab 2016 zugalassene Fernbus muss barrierefrei sein. Jedoch sind auch weiterhin Busse unterwegs, bei denen die neuen gesetzlichen Bestimmungen nicht einwandfrei umgesetzt werden können. Bei FlixBus müssen sich Fahrgäste aktuell im Voraus erkundigen, ob die Fahrt im eigenen Rollstuhl möglich ist. Dies sollte idealerweise zwei Wochen, spätestens jedoch sieben Tage vor der Buchung beziehungsweise Abfahrt geschehen. In der Regel gilt aber: Ein faltbarer Rollstuhl kann immer im Gepäckraum verstaut werden. Bei BlaBlaCar Bus muss dies drei Werktage vor Abfahrt geschehen.

Ein weiteres Problem besteht in der Kompatibilität der Rollstühle mit den dafür vorgesehenen Anbringungen im Fernbus. Rollstühle müssen bestimmte DIN-Normen erfüllen, um für den Transport im Fernbus zugelassen zu sein. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) geht davon aus, dass lediglich 20 Prozent der Rollstühle in Deutschland diese Auflagen erfüllen. Erneut resultiert dies für behinderte Fahrgäste in einem nötigen Plus an Recherchezeit, da zuvor bei den jeweiligen Fernbus-Anbietern Auskunft über technische Details eingeholt werden muss.

Bei FlixBus gelten beispielsweise die folgenden Voraussetzungen für die Mitnahme im Rollstuhl:

  • Der Rollstuhl muss den Normen DIN EN 12183 oder DIN EN 12184 entsprechen.
  • Der Rollstuhl muss über ein Rückhaltesystem gemäß DIN 75078-2 verfügen.
  • Folgende Maße dürfen nicht überschritten werden: Breite max. 80 cm x Länge max. 120 cm
  • Das Gesamtgewicht darf 250 kg nicht überschreiten.

Der Mehraufwand vor der Buchung geht für behinderte Fahrgäste aktuell noch mit weiteren, infrastrukturellen Hürden einher. Nur sehr wenige Busbahnhöfe und Haltestellen sind barrierefrei ausgestattet und erschweren die Reise dadurch bereits vor dem Einstieg in den Fernbus. Taktile Leitsysteme für Sehbehinderte oder stufenlose Zugänge sind eher Ausnahme als Regel. Nur sehr wenige Busbahnhöfe in Deutschland sind barrierefrei ausgestattet, darunter Hamburg, Hannover und der Stuttgart Airport Busterminal (SAB). Zum Vergleich: In Rumänien finden sich mehr als 80 als barrierefrei eingestufte Haltestellen.

Der Ist-Zustand: Die Regelungen der einzelnen Fernbus-Anbieter

Fernbus-AnbieterEigener RollstuhlRabattVorbuchungsfristen
auf ausgewählten Linien
-
3 Werktage vor Abfahrt
Mit dem Fahrrad verreisen
auf ausgewählten Linien
-
2 Wochen bis 7 Tage vor Abfahrt
-
-
-

Begleitpersonen, Blindenführhunde und Nachteilsausgleich durch Behindertenrabatt

Den Mehraufwand und die weiteren Hürden versuchen einige Fernbus-Anbieter dem gesetzlichen Nachteilsausgleich folgend durch Behindertenrabatte zu entschädigen. Eine Begleitperson dürfen Schwerbehinderte mit mindestens 50 GdB bei allen deutschen und zahlreichen internationalen Fernbus-Anbietern kostenlos mitnehmen. Der Sitzplatz für den Mitreisenden kann meist einfach während der Buchung reserviert werden.

Ein Blindenführhund darf ausnahmslos bei allen Anbietern mit an Bord. Bei Eurolines, einem international agierenden Verband einzelner Busunternehmen, können die Bestimmungen je nach Linie abweichen. Fahrgäste können sich zwar innerhalb Deutschlands und auf grenzüberschreitenden Linien über einen Behindertenrabatt von 50 Prozent freuen. International ist der Nachlass aber eher selten. Selbiges gilt für die Begleitperson, die auf cross-border Verbindungen von weniger als 250 Kilometer Länge die Hälfte des regulären Fahrpreises zu entrichten hat. Keine Form von Rabatt gibt es beispielsweise bei FlixBus oder beim französischen Busunternehmen BlaBlaBus.

Gut zu wissen: Eine Begleitperson darf gemäß deutschem Gesetz dann kostenlos mitgenommen werden, wenn ein deutscher Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „B“ vorgelegt wird.

Tipp: Die Meldestelle für Barrierefreie Fernlinienbusse

Die Meldestelle für Barrierefreie Fernlinienbusse wurde eingerichtet. So will man sowohl Fahrgästen als auch Fernbus-Anbietern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Kunden mit eingeschränkter Mobilität können hier Infos rund um das Thema Fernbus-Reisen erhalten oder Beschwerden über nicht barrierefreie Fahrzeuge einreichen. Für die Busunternehmen hält die Meldestelle das nötige Informationsmaterial bereit, um Fahrzeuge wie Infrastruktur gemeinsam zu verbessern.

Kontakt:
Telefon: 030 814 5268-53 / Fax: 030 814 5268-52 / E-Mail: meldestelle(at)bsk-ev.org

Barrierefreiheit in anderen öffentlichen Verkehrsmitteln: Deutsche Bahn

Kostenlos unterwegs sind behinderte Reisende seit September 2011 mit der Deutschen Bahn. Alle Nahverkehrszüge der Produktklasse C der DB Regio AG dürfen seitdem gemäß der Freifahrtregelung umsonst genutzt werden, die in § 145 ff. SGB IX verankert ist. Dazu zählen S-Bahnen, Regionalbahnen, der Regionalexpress sowie der Interregio-Express. Wer auch den Fernverkehr günstiger nutzen möchte, erhält die BahnCard 25 sowie die BahnCard 50 durch Vorlage des entsprechenden Behindertenausweises zum vergünstigten Preis.

Möchte man als Reisender mit Behinderung die Deutsche Bahn nutzen, kann man die gewünschte Fahrt über den Mobilitätsservice des Unternehmens buchen. Benötigt man am Bahnhof Hilfe beim Ein- oder Ausstieg, kann diese bis spätestens einen Tag vor Abfahrt online bestellt werden. Laut Angaben der Bahn verfügen nahezu alle nationalen Bahnhöfe über Hublifte und Rampen, die Rollstuhlfahrern den einfachen Ein- und Ausstieg ermöglichen. Außerdem ist an rund 300 Bahnhöfen in Deutschland Personal verfügbar, das vor Ort helfen kann.

Ein Blick über den Tellerrand: Barrierefreiheit international

Trotz der Übergangsphase von drei Jahren, wurde die schnelle Gesetzesänderung bezüglich der Barrierefreiheit auf dem deutschen Fernbus-Markt weitläufig als wegweisend begrüßt. Auch in anderen Ländern wie Spanien oder Italien, in denen der Fernbus schon länger liberalisiert ist, gibt es bestimmte Regelungen. So müssen beispielsweise Neufahrzeuge in Spanien bereits seit 2010 barrierefrei ausgestattet sein. In Realität sind allerdings nur wenige Fernbusse mit Rollstuhlstellplätzen und weiteren barrierefreien Merkmalen versehen. Ein ähnliches Bild zeichnet sich in Großbritannien ab: Hier müssen alle Neufahrzeuge bereits seit 2005 über Rollstuhlstellplätze und genau definierte weitere barrierefreie Merkmale verfügen. Zwar arbeiten Busunternehmen wie megabus und National Express mit barrierefreien Gesamtnetzen, doch bieten teils auch etablierte Anbieter wie Eurolines UK seinen Fahrgästen noch keine Mitnahmemöglichkeit im eigenen Rollstuhl an.

Begleitpersonen werden im europäischen Ausland – anders als in Deutschland – nur bei einigen Fernbus-Anbietern kostenlos oder mit Rabatt befördert Behindertenrabatt wird in Spanien nur bei ALSA gewährt, wobei man das vergünstigte Ticket nicht direkt online buchen kann, sondern den Fahrtpreis telefonisch erfragen muss. Auch in Großbritannien ist ein Rabatt für behinderte Fahrgäste unüblich. Beim Marktführer National Express hat man lediglich die Möglichkeit, eine sogenannte „Disabled Coachcard“ zu erwerben, die ähnlich der BahnCard einen entsprechenden Rabatt bei jeder Reise gewährt. Positiv ist hier allerdings zu erwähnen, dass in Frankreich mit der Liberalisierung des dortigen Fernbus-Marktes ein Gesetz verabschiedet wurde, das vorsieht, dass ab sofort alle Neufahrzeuge barrierefrei ausgestattet sein müssen.